Corona stärkt BGE

Eine neue Studie belegt, dass je länger die Krise andauert, desto größer der Zuspruch in der Bevölkerung. Rogator / exeo untersuchten zum zweiten Mal im Rahmen der Studie „OpinionTrain“ die Präferenz der Bevölkerung für das bedingungslose Grundeinkommen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Schweden. In allen vier untersuchten Ländern ist die Unterstützung für ein bedingungsloses Grundeinkommen sehr hoch und tendenziell steigend … [marktforschung.de vom Februar 2021]

Papst pro Grundeinkommen

Erstaunliches aus dem Vatikan. Papst Franziskus unterstützt die Forderung nach einem Grundeinkommen für alle als geeignete Form der (globalen) Armutsbekämpfung. Gibt’s jetzNicht jede*r ist begeistert: während Heribert Prantl in der SZ vom „Hammer“ spricht, üben deutsche Katholiken sich in der seltenen Form der Kritik: „Gut gemeint, aber nicht durchdacht“, findet der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) [Domradio vom 4.12.2020].

Grüne kriegen die Kurve

Am 22.11.2020 Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz zur Aufnahme eines Passus in das Wahlprogramm, der sich zur „Leitidee eines Bedingungslosen Grundeinkommens“ bekennt (Absatz 323 des Wahlprogrammes). Die Anhänger*innen interpretieren das als „Grundeinkommen ist Grundsatz!“. Inhaltlich ist das Konzept aus grüner Sicht jedoch nicht beschrieben, es wird lediglich festgehalten, dass existenzsichernde Sozialleistungen zusammengeführt und langfristig in das Steuersystem integriert werden. Die Abstimmung erfolgte gegen die Parteiführung (62% Zustimmung), die das Wort „Grundsicherung“ anstelle von „Grundeinkommen“ vorsah.

Zweifelhafte IW-„Studie“ zum Grundeinkommen

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) tut sich regelmäßig mit interessengeleiteten Kurzberichten hervor, die gerne als „Studien“ vermarktet werden (so z.B. in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung: „Studie: Befürworter des Grundeinkommens sind weniger liberal als angenommen“).

Abgehen davon, dass die „Studie“ unter dem Titel „Bedingt bedingungslos – wiedersprüchliche Sozialstaatspräferenzen“ ganze drei Seiten inkl. Literaturverzeichnis (von drei Referenzen) umfasst und einer der beiden Autor*innen als Qualifikationshintergrund die Stelle des persönliche Referenten des IW-Direktors aufweist, sind die inhaltlichen Verknüpfungen und Schlussfolgerungen schlicht hanebüchen. Ausgangsbasis ist die (durchaus seriöse) European Social Survey (ESS) von 2016. Diese untersucht in ihrer 8. Runde (2016/2017) Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat in 23 europäischen Staaten, wobei insbesondere die Akzeptanz von Sozialleistungen an Arbeitslose und Immigranten im Vordergrund stand. Erstmals wurde ergänzend auch die Einstellung zum Bedingungslosen Grundeinkommen erhoben (mit Zustimmungswerten von 34 – 80%).

Im Ergebnis stellt die ESS-Studie von 2016 fest, dass die Unterstützung von Sozialleitungen für Senior*innen am höchsten ist, für Arbeitslose eine unterschiedlich ausgeprägte Leistungserwartung besteht und bei Immigrant*innen die ausgeprägesten Widerstände gegen den sofortigen Bezug von Sozialleistungen bestehen (mit völlig unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Ländern). Zum BGE stellt die Studie fest, dass die Unterstützung für Konzepte des Grundeinkommens dort am höchsten ist, wo die gesellschaftliche Ungleichverteilung (gemessen am sog. Gini-Koeffizienten) am höchsten ist.

KEINE Verbindung wird in der Ausgangsstudie zwischen der BGE-Einstellung und Aussagen zu Migrant*innen hergestellt. Die einzige in der IW-„Studie“ verwendete Grafik auf Seite 2 (von 3) labelt lediglich die Grafik 4 der ESS-Studie (Seite 8) um und sortiert das Säulendiagramm „nach Anteil der Grundeinkommens-Befürwortern“ um. Die Daten, die in der ESS-Studie die allgemeinen Präferenzen aller Befragten in Bezug auf Sozialleistungen für Immigrant*innen abbilden, werden bei den IW-Autor*innen somit plötzlich (und ohne jeden Nachweis) zu Einstelllungen der Grundeinkommens-Befürworter*innen. Auf dieser Basis bezeichnen die Autor*innen des IW dann die Einstellung der BGE-Befürworter*innen als „widersprüchlich“, „paradox“ und „inkonsistent“. Ein Teil der BGE-Befürworter*innen wird sogar als „extreme Wohlfahrtschauvinisten“ bzw. „Nativisten“ (Zuander*innen sollen überhaupt keinen Zugang zum Sozialstaat erhalten).

Das Ganze spricht gegen sich selbst und ist nicht unter „Studien“ sondern „Lobby-Flyer“ abzulegen. Einzig positiver Effekt: bei der Lektüre der Ausgangsstudie wird nochmal in Erinnerung gerufen, dass erhebliche Teile der europäischen Bevölkerung (von 34% in Norwegen bis 80% in Litauen) der Idee des Grundeinkommens positiv gegenüber stehen.

Grünes Hartz IV?

Unter dem Titel „Grüne Grundsicherung statt Hartz IV“ hat die Fraktio B90/G am 23.06.2020 eine Erklärung ins Netz gestellt, die auf eine Erhöhung der Hartz IV-Regelsätze hinausläuft. Veröffentlicht wird mit der Erklärung nochmals der Fraktoinsbeschluss vom 12. Mai 2020:

Parallel wurden Ergebnisse einer Studie des Berliner Instituts für Sozial- und Wirtschaftsforschung veröffentlicht, das „Abstandsvarianten zu Mitte“ bestimmt und feststellt, dass die Hartz IV-Regelsätze im Sinne eines realistischen sozio-kulturellen Existenzminimums von aktuell 432,-€ auf 603,-€ (Erwachsene) erhöhte werden müssten (vgl. SZ-Artikel v. 23.06.2020).

Wie bereits beim Vorschlag des Bundesvorsitzenden Habeck 2018 bleibt die Bedürftigkeitsprüfung bestehen. Es handelt sich im Kern also eher um ein (verbessertes) Hartz IV in grün und nicht um ein Modell des Bedingungslosen Grundeinkommens.

Interessant ist die o.g. Studie dennoch, da hier seriöse Hinweise/ Berechnungen in Sachen sozio-ökonomisches Existenzminimum erfolgen und die bisherigen (politischen) Kürzungen des eigentlich unkürzbaren Existenzminimums problematisiert werden. Das Thema ist auch für ein BGE von Relevanz, weil es letztlich die absolute Unterkante einer BGE-Transferzahlung definieren würde. Nach oben ist das BGE immer gerne offen, aber die Frage der Transferuntergrenze, ab der nicht mehr von einem existenzsichernden BGE gesprochen werden kann, ist für die Konzepterarbeitung mindestens ebenso interessant wie die wünschenswerte Höhe (oftmals werden hier pauschal 1.200,- € genannt).

SPD-Funktionär formuliert Aufruf für Grundeinkommen

Mark Rackles, langjähriger SPD-Funktionär und Staatssekretär in Berlin, hat am 21. Juni einen Aufruf formuliert, mit dem er für die Erarbeitung einer sozialdemokratischen Positionierung zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) wirbt. Der Tagesspiegel berichtete am 22. Juni. Der Aufruf trägt den Titel „SPD: Mut zu neuen Wegen! Warum die Sozialdemokratie sich dem Thema Bedingungsloses Grundeinkommen öffenen sollte“ und enthält Eckpunkte eines sozialdemokratischen und gewerkschaftlich orientierten Modells des BGE. Es handelt sich um einen Aufruf zur Mitarbeit

Kinderarmut? Solidareinkommen!

Kinderarmut

Wer eine Kindergrundsicherung vorschlägt (SPD , B90/G und Linke), ist auf dem besten Wege zu einem bedingungslosen Grundeinkommen. Leider ist die Kinderarmut in Deutschland konkret, die Kindergrundsicherung dagegen umstritten und in weiter Ferne. SPD, B90/G und Linke machen Vorschläge, die existenzsichernd sein sollen und diverse Einzelleistungen zursammenführen. Höhe der Grundsicherung je Kind immerhin zwischen 400,-€ und 573,-€. Unklar bleibt aber das Verhältnis zum Haushaltseinkommen und die Anrechung von Einkommen auf Transfereinkommen. Einfacher und konsistenter daher: ein bedingungsloses Grundeinkommen in Form des Solidareinkommens, auch und gerade für Kinder und Jugendliche!

Solidareinkommen.org freigeschaltet

So, genug nachgedacht. Diese Website wird jetzt freigeschaltet, auch ohne den letzten Schliff erhalten zu haben. Das Projekt ist work in progress und wird kontinuierlich fortgeschrieben. Im Zentrum steht das spezifische Konzept eines „Solidareinkommens„, das die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland möglichst konkret und in sich konsistent aufgreift. Die Eckpunkte des Konzepts findest Du unter der Rubrik Konzept; ein ausgearbeitetes Grundlagenpapier zu diesem Konzept folgt im Sommer. Dann auch mit der Herleitung der konkreten Transferhöhe, der konkreten Folgenabschätzung für andere Sozialleistungen und einen konkreten Vorschlag zur Finanzierung. Alles keine Utopien. Wer Lust, Zeit & Ideen zur Mitarbeit hat, kann sich gerne melden. Das Projekt ist groß genug. Glück auf!