Papst pro Grundeinkommen

Erstaunliches aus dem Vatikan. Papst Franziskus unterstützt die Forderung nach einem Grundeinkommen für alle als geeignete Form der (globalen) Armutsbekämpfung. Gibt’s jetzNicht jede*r ist begeistert: während Heribert Prantl in der SZ vom „Hammer“ spricht, üben deutsche Katholiken sich in der seltenen Form der Kritik: „Gut gemeint, aber nicht durchdacht“, findet der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) [Domradio vom 4.12.2020].

Grüne kriegen die Kurve

Am 22.11.2020 Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz zur Aufnahme eines Passus in das Wahlprogramm, der sich zur „Leitidee eines Bedingungslosen Grundeinkommens“ bekennt (Absatz 323 des Wahlprogrammes). Die Anhänger*innen interpretieren das als „Grundeinkommen ist Grundsatz!“. Inhaltlich ist das Konzept aus grüner Sicht jedoch nicht beschrieben, es wird lediglich festgehalten, dass existenzsichernde Sozialleistungen zusammengeführt und langfristig in das Steuersystem integriert werden. Die Abstimmung erfolgte gegen die Parteiführung (62% Zustimmung), die das Wort „Grundsicherung“ anstelle von „Grundeinkommen“ vorsah.

Zweifelhafte IW-„Studie“ zum Grundeinkommen

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) tut sich regelmäßig mit interessengeleiteten Kurzberichten hervor, die gerne als „Studien“ vermarktet werden (so z.B. in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung: „Studie: Befürworter des Grundeinkommens sind weniger liberal als angenommen“).

Abgehen davon, dass die „Studie“ unter dem Titel „Bedingt bedingungslos – wiedersprüchliche Sozialstaatspräferenzen“ ganze drei Seiten inkl. Literaturverzeichnis (von drei Referenzen) umfasst und einer der beiden Autor*innen als Qualifikationshintergrund die Stelle des persönliche Referenten des IW-Direktors aufweist, sind die inhaltlichen Verknüpfungen und Schlussfolgerungen schlicht hanebüchen. Ausgangsbasis ist die (durchaus seriöse) European Social Survey (ESS) von 2016. Diese untersucht in ihrer 8. Runde (2016/2017) Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat in 23 europäischen Staaten, wobei insbesondere die Akzeptanz von Sozialleistungen an Arbeitslose und Immigranten im Vordergrund stand. Erstmals wurde ergänzend auch die Einstellung zum Bedingungslosen Grundeinkommen erhoben (mit Zustimmungswerten von 34 – 80%).

Im Ergebnis stellt die ESS-Studie von 2016 fest, dass die Unterstützung von Sozialleitungen für Senior*innen am höchsten ist, für Arbeitslose eine unterschiedlich ausgeprägte Leistungserwartung besteht und bei Immigrant*innen die ausgeprägesten Widerstände gegen den sofortigen Bezug von Sozialleistungen bestehen (mit völlig unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Ländern). Zum BGE stellt die Studie fest, dass die Unterstützung für Konzepte des Grundeinkommens dort am höchsten ist, wo die gesellschaftliche Ungleichverteilung (gemessen am sog. Gini-Koeffizienten) am höchsten ist.

KEINE Verbindung wird in der Ausgangsstudie zwischen der BGE-Einstellung und Aussagen zu Migrant*innen hergestellt. Die einzige in der IW-„Studie“ verwendete Grafik auf Seite 2 (von 3) labelt lediglich die Grafik 4 der ESS-Studie (Seite 8) um und sortiert das Säulendiagramm „nach Anteil der Grundeinkommens-Befürwortern“ um. Die Daten, die in der ESS-Studie die allgemeinen Präferenzen aller Befragten in Bezug auf Sozialleistungen für Immigrant*innen abbilden, werden bei den IW-Autor*innen somit plötzlich (und ohne jeden Nachweis) zu Einstelllungen der Grundeinkommens-Befürworter*innen. Auf dieser Basis bezeichnen die Autor*innen des IW dann die Einstellung der BGE-Befürworter*innen als „widersprüchlich“, „paradox“ und „inkonsistent“. Ein Teil der BGE-Befürworter*innen wird sogar als „extreme Wohlfahrtschauvinisten“ bzw. „Nativisten“ (Zuander*innen sollen überhaupt keinen Zugang zum Sozialstaat erhalten).

Das Ganze spricht gegen sich selbst und ist nicht unter „Studien“ sondern „Lobby-Flyer“ abzulegen. Einzig positiver Effekt: bei der Lektüre der Ausgangsstudie wird nochmal in Erinnerung gerufen, dass erhebliche Teile der europäischen Bevölkerung (von 34% in Norwegen bis 80% in Litauen) der Idee des Grundeinkommens positiv gegenüber stehen.

Partei Die LINKE traut sich was … ein bißchen!

Nur Mut … traut Euch was!

Wie schwer sich die linken und progressiven Parteien der Mitte mit dem Thema Bedingungsloses Grundeinkommen tun, kann man/frau gerade sehr gut am Beispiel der Links-Partei studieren. In dieser Partei gibt es die längste und inhaltlich vertiefteste Debatte um das BGE (die sog. Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen). Jetzt stand die Frage an, ob ein Mitgliederentscheid zum Thema BGE (Aufnahme in das Bundeswahlprogramm) empfohlen werden soll, wofür die BAG kämpft. In fast sozialdemokratischer Weisheit kam das klassische linke „sowohl als auch“ heraus: der Bundesvorstand stimmte mit Beschluss vom 20. Juni 2020 der Durchführung eines Mitgliederbegehrens zu; gleichzeit stimmte jedoch gegen ein BGE und empfiehlt den Mitgliedern in der Befragung mit „Nein“ zu stimmen. Um die politische Linie vollständig klar zu machen, hat sich die Parteivorsitzende (immerhin) Katja Kipping aber ganz klar für ein Grundeinkommen ausgesprochen und eine eigene Erklärung hierzu abgegeben.

Die BAG Grundeinkommen hat die Einleitung des Entscheids jetzt zum Anlass genommen, ein überarbeitetes Konzept zum „Emanzipatorischen Grundeinkommen“ (Stand Februar 2020) vorzulegen, in dem – auf fast 50 Seiten – die wesentlichen Aspekte inkl. Kostenschätzungen und Finanzierungsvorschläge ausgeführt werden. Lohnende Lektüre.

Grundeinkommen und Gender Gap

Unter den vielen Argumenten pro Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) tauchen immer wieder, aber in der Regel als Randargument, Aspekte einer feministischen Analyse des BGE auf. Im Vordergrund stehen dabei zwei gesellschaftliche Fehlentwicklungen: der sog. „Gender pay gap“ und der sog. „Gender Care gap“.

Der Gender Pay Gap beschreibt das strukturelle Lohngefälle zwischen Frauen und Männern: aktuell (Stand März 2020) verdienen Frauen in Deutschland 20% weniger als Männer. Für die gleiche Arbeit. Deutschland gehört zu den Ländern mit dem höchsten Gender Pay Gap! Hinzu kommt die Tatsache, dass Frauen oftmals – Ergebnis gesellschaftlicher Stereotype – in schlechter bezahlten sog. „Frauenberufen“ arbeiten, aus familiären Gründen oftmals auch nur teilzeit oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Im Ergebnis sind Frauen überdurchschnittlich stark von Familien- und später Altersarmut betroffen.

Der Gender Care Gap beschreibt den (unterschiedlichen) Zeitaufwand für unbezahlte (Sorge-) Tätigkeiten (u.a. sämtliche Arbeiten im Haushalt, die Betreuung von Kindern, Pflege von Erwachsenen oder ehrenamtliches Engagement. Frauen leisten hier 52,4% mehr als Männer gem. BMFSFJ in 2019. D.h. ein erheblicher Teil weiblicher Arbeit wird im erwerbsbezogenen System der Arbeitsgesellschaft weder anerkannt noch monetär abgebildet. In einer Tätigkeitsgesellschaft mit einem BGE in Form des Solidareinkommens wäre dies anders.

In beiden Fällen des Gender Pay Gap bzw. des Gender Care Gap erhalten Frauen durch das Solidareinkommen eine erhöhte Unabhängigkeit (z.B. von männlichen Haushaltsvorständen), eine höhere Flexibilität (z.B. in der Jobwahl) und eine gesellschaftliche Anerkennung durch ein rechtlich garantiertes Grundeinkommen. Dieses ersetzt jedoch in keiner Form (ähnlich wie allgemeiner in Bezug auf den Mindestlohn) die weitere Notwendigkeit zum Abbau des gesellschaftlich bestimmten Gender Pay und Gender Care Gaps. Es stärkt „nur“ die Position der Frauen in diesem (ungleichen) Kampf um rechtliche Gleichstellung, indem der ökonomische Druck gemindert wird. Auch hier kann das BGE also einen Beitrag aus feministischer Sicht leisten …

Kinderarmut? Solidareinkommen!

Kinderarmut

Wer eine Kindergrundsicherung vorschlägt (SPD , B90/G und Linke), ist auf dem besten Wege zu einem bedingungslosen Grundeinkommen. Leider ist die Kinderarmut in Deutschland konkret, die Kindergrundsicherung dagegen umstritten und in weiter Ferne. SPD, B90/G und Linke machen Vorschläge, die existenzsichernd sein sollen und diverse Einzelleistungen zursammenführen. Höhe der Grundsicherung je Kind immerhin zwischen 400,-€ und 573,-€. Unklar bleibt aber das Verhältnis zum Haushaltseinkommen und die Anrechung von Einkommen auf Transfereinkommen. Einfacher und konsistenter daher: ein bedingungsloses Grundeinkommen in Form des Solidareinkommens, auch und gerade für Kinder und Jugendliche!