Eine neue Studie belegt, dass je länger die Krise andauert, desto größer der Zuspruch in der Bevölkerung. Rogator / exeo untersuchten zum zweiten Mal im Rahmen der Studie „OpinionTrain“ die Präferenz der Bevölkerung für das bedingungslose Grundeinkommen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Schweden. In allen vier untersuchten Ländern ist die Unterstützung für ein bedingungsloses Grundeinkommen sehr hoch und tendenziell steigend … [marktforschung.de vom Februar 2021]
Kategorie: Wissenschaft/ Forschung
Zweifelhafte IW-„Studie“ zum Grundeinkommen
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) tut sich regelmäßig mit interessengeleiteten Kurzberichten hervor, die gerne als „Studien“ vermarktet werden (so z.B. in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung: „Studie: Befürworter des Grundeinkommens sind weniger liberal als angenommen“).
Abgehen davon, dass die „Studie“ unter dem Titel „Bedingt bedingungslos – wiedersprüchliche Sozialstaatspräferenzen“ ganze drei Seiten inkl. Literaturverzeichnis (von drei Referenzen) umfasst und einer der beiden Autor*innen als Qualifikationshintergrund die Stelle des persönliche Referenten des IW-Direktors aufweist, sind die inhaltlichen Verknüpfungen und Schlussfolgerungen schlicht hanebüchen. Ausgangsbasis ist die (durchaus seriöse) European Social Survey (ESS) von 2016. Diese untersucht in ihrer 8. Runde (2016/2017) Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat in 23 europäischen Staaten, wobei insbesondere die Akzeptanz von Sozialleistungen an Arbeitslose und Immigranten im Vordergrund stand. Erstmals wurde ergänzend auch die Einstellung zum Bedingungslosen Grundeinkommen erhoben (mit Zustimmungswerten von 34 – 80%).
Im Ergebnis stellt die ESS-Studie von 2016 fest, dass die Unterstützung von Sozialleitungen für Senior*innen am höchsten ist, für Arbeitslose eine unterschiedlich ausgeprägte Leistungserwartung besteht und bei Immigrant*innen die ausgeprägesten Widerstände gegen den sofortigen Bezug von Sozialleistungen bestehen (mit völlig unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Ländern). Zum BGE stellt die Studie fest, dass die Unterstützung für Konzepte des Grundeinkommens dort am höchsten ist, wo die gesellschaftliche Ungleichverteilung (gemessen am sog. Gini-Koeffizienten) am höchsten ist.
KEINE Verbindung wird in der Ausgangsstudie zwischen der BGE-Einstellung und Aussagen zu Migrant*innen hergestellt. Die einzige in der IW-„Studie“ verwendete Grafik auf Seite 2 (von 3) labelt lediglich die Grafik 4 der ESS-Studie (Seite 8) um und sortiert das Säulendiagramm „nach Anteil der Grundeinkommens-Befürwortern“ um. Die Daten, die in der ESS-Studie die allgemeinen Präferenzen aller Befragten in Bezug auf Sozialleistungen für Immigrant*innen abbilden, werden bei den IW-Autor*innen somit plötzlich (und ohne jeden Nachweis) zu Einstelllungen der Grundeinkommens-Befürworter*innen. Auf dieser Basis bezeichnen die Autor*innen des IW dann die Einstellung der BGE-Befürworter*innen als „widersprüchlich“, „paradox“ und „inkonsistent“. Ein Teil der BGE-Befürworter*innen wird sogar als „extreme Wohlfahrtschauvinisten“ bzw. „Nativisten“ (Zuander*innen sollen überhaupt keinen Zugang zum Sozialstaat erhalten).
Das Ganze spricht gegen sich selbst und ist nicht unter „Studien“ sondern „Lobby-Flyer“ abzulegen. Einzig positiver Effekt: bei der Lektüre der Ausgangsstudie wird nochmal in Erinnerung gerufen, dass erhebliche Teile der europäischen Bevölkerung (von 34% in Norwegen bis 80% in Litauen) der Idee des Grundeinkommens positiv gegenüber stehen.