Das hier vertretene spezifische Modell des Solidareinkommens ist aus der Beschäftigung mit den anderen zentralen Modellen des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) abgeleitet. Es ist eine umfassende Konkretisierung aller (auch kritischen) Aspekte des Bedingungslosen Grundeinkommens und ist den Kernprinzipien des BGE verpflichtet:
- das Einkommen basiert auf einem individuellen Recht,
- ist (staatlich) garantiert,
- wird vom einem politischen Gemeinwesen
- allen seinen Mitgliedern
- in existenzsichernder Höhe und
- ohne Bedürftigkeitsprüfung und
- ohne spezifische Tätigkeiszwang (bedingungsfrei)
- regelmässig ausgezahlt.
Das hier entwickelte Konzept des Solidareinkommens macht – anders als einige andere Konzepte -die normativen Grundlagen des Konzepts transparent. Die Vielzahl der BGE-Konzepte lässt sich nach den normativen Ansätzen clustern (z.B. liberale Ansätze zum Abbau von „Soziallasten“, Steuern oder Bürokratie; aktuelle Ansätze mit Fokus negative Beschäftigungseffekte des technologischen Fortschritts/ der Digitalisierung; linke Ansätze zur Befreiung vom Armut und/oder Arbeitszwängen; gesundheitspolitische Ansätze zum Abbau von Stress und Gesundheitsfolgen der Erwerbsarbeit). Der Ansatz des Solidareinkommens wird sich hier explizit abgrenzen. Ein wesentliches Anliegen ist die Formulierung eines Konzepts, das die sehr massiven Einwände der Gewerkschaften aufgreift und soweit möglich entkräftet. Die Stärkung der individuellen Wohlfahrt kann nicht pauschal den Interessen der organisierten Gewerkschaftsbewegung widersprechen.
Das Konzept „Solidareinkommen“ trägt den Namen aus einer Vielzahl von Gründen. Zum einen vermeidet es die explizite Nennung der Bedingungslosigkeit, da m.E. keine Idee und kein politisches Konzept (erst recht nicht Transferkonzepte) bedingungslos sind. Mindestens die Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen sowie das Vorhandensein von verteilbaren Ressourcen sind zwingende Bedingungen eines Grundeinkommens. Zudem provoziert die Bedingungslosigkeit – so richtig sie ist – in der politischen Auseinandersetzung schnell Abwehrreflexe, die einer vertieften Debatte abträglich sind, erst reicht einer Mehrheitsfähigkeit. Die Debatte sollte sich nicht auf das Mantra der Bedingungslosigkeit fokussieren, sondern auf die Funktionsbedingungen der heutigen Leistungsgesellschaft und der Erwerbsarbeit als deren Kernelement. Am Ende der Debatte muss ein erneuerter (letztlich sozialerer) Begriff von Leistung und Arbeit stehen; damit verliert die Bedingungslosigkeit auch ihren Schrecken.
Der Begriff Solidareinkommen greift auch nicht auf das übliche Grundeinkommen zurück, da m.E. die Frage der gesesellschaftlichen Einbettung des Konzepts (Prinzips) die zentrale und konstitutive Bedingung ist. „Solidareinkommen“ verweist nicht nur auf ein Recht auf (Grund-) Einkommen, es verweist explizit auf die solidarische Erbringung und letztlich auch auf die notwendige (ja!) Bedingung, dass es sich bei dem Konzept um keine Einbahnstraße handelt. Dem Solidareinkommen muss also sowohl eine Solidarleistung auf Ebene der Gemeinschaft zugrunde, als auch auf Ebene des begünstigten Individuums. Von diesem kann und muss erwartet werden, dass er/sie sich auf die eine oder andere (nicht in Zwängen/ Prüfungen/ Verpflichtungen etc.) Weise gesellschaftlich einbringt. Dies ist explizit keine formal geregelte (oder gar sanktionierbare) Pflicht zu konkreten Leistungen. Es ist eher als ein zwingend notwendiges Grundverständnis aller Beteiligten zu verstehen.
Der Begriff Solidareinkommen ist zudem schlicht deutsch. Das auch deshalb, weil es für den Erfolg der BGE-Debatte m.E. wichtig ist, dass die Idee des Solidareinkommens in einem entwickelten Industregesellschaft wie Deutschland zum Tragen kommt. Wenn hier belegt werden kann, dass das Konzept tragfähig und zielführend ist, dann gilt das auch für alle anderen entwickelten Industriegesellschaften. Es gleicht der Atomdebatte: ich bin mit dem Argument aufgewachsen, dass ein Industriestaat wie Deutschland schlicht nicht auf Atomenergie verzichten kann. Heute beweisen wir der Welt, dass dies – und noch viel mehr – möglich ist.
Es gibt Kapitaleinkommen, es gibt Arbeitseinkommen … Zeit für ein Solidareinkommen!
Das Konzept Solidareinkommen ist work in progress und wird aktuell privat und ehrenamtlich geleistet. Die Eckpunkte werden nach und nach angereichert und weiterentwickelt. Diese stehen zur öffentlichen Diskussion und sind für sachliche Kritik und Verbesserungsvorschläge offen.
Mark Rackles, im Juni 2020